Winterkonzert 2020
Sonntag, 26 Januar 2020, 17 Uhr, Kirche BlumensteinMusiker
- Miquel Ramos Salvadó, Klarinette
- Dmitry Smirnov, Violine
- Mikayel Zakaryan, Violine
- Mathis Rochat, Viola
- Mirjana Reinhard, Cello
Programm
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Juan Crisóstomo de Arriaga (1806 – 1826)
Streichquartett Nr. 1 in d-Moll- Allegro
- Adagio con espressione
- Menuetto. Allegro
- Adagio - Allegretto
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Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Streichquartett «Amerikanisches Quartett» in F-Dur, Op.96- Allegro ma non troppo
- Lento
- Molto vivace
- Finale. vivace ma non troppo
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Johannes Brahms (1833 – 1897)
Klarinettenquintett in h-Moll, Op.115- Allegro
- Adagio
- Molto vivace
- Finale: vivace ma non troppo
Als Johannes Brahms am Ende seiner kompositorischen Karriere den Geiger und Klarinettisten Richard Mühlfeld kennenlernte, war er von ihm derart beeindruckt, dass er in kurzer Zeit seine vier späten Klarinettenwerke schrieb, zu denen das Quintett Op. 115 gehört. Obwohl Brahms sein Testament bereits an Simrock gesendet hatte und seine kompositorische Arbeit eigentlich für beendet hielt, war er von Mühlfelds autodidaktisch erarbeiteten virtuosen Können begeistert: Man könne „nicht schöner Klarinette blasen, als es der hiesige Herr Mühlfeld tut“, schrieb er Clara Schumann. Durch die raffinierte motivische Verwandtschaft ist das ganze Quintett wie aus einer einzigen Idee entstanden. Die gefühlssatte Harmonik, die rhythmischen Freiheiten und die klangliche Homogenität, in der die Klarinette als besondere Farbe hervortritt; all dies verschmilzt mit einem „unwiderstehlich wehmütigen Reiz“ (Kalbeck) zu einem der beliebtesten Werke Brahms’. Das Quintett stellte quasi einen musikalischen Lebensrückblick dar – ein Sammelwerk aller seiner akkumulierten Erfahrungen, Eindrücke, Erkenntnissen und Fertigkeiten. Die Erinnerung an seinen langjährigen Freund Dvořák klingt im zweiten Satz durch: Ein ländlerhaft schlichtes Duett zwischen Klarinette und Geige führt zu einer fantaisie en hongroise, die mit einem improvisatorisch umspielten Klarinettensolo über einem Streichertremolo, von Zigeunern und der ungarischen Folklore erzählt.
Im Sommer 1893 liess Dvořák die hektische Atmosphäre New Yorks hinter sich, wo er seit September als Direktor des Nationalen Musikkonservatoriums tätig war, und reiste ins naturnahe Spillville – ein kleines Städtchen in Iowa, bewohnt von den Nachkommen tschechischer Emigranten. Die Stimmung war ausgelassen – von der Natur umgeben, die Gastfreundschaft der Einheimischen geniessend und in Gesellschaft aller seiner Kinder, die in diesem Sommer aus Europa nachgereist waren. Resultat war ein überaus freudiges Quartett, dessen Skizze in weniger als 72 Stunden und dessen Partitur in nur zwölf Tagen fertiggestellt wurden. Auf der letzten Seite des Manuskripts merkte Dvořák an: „Gott sei Dank. Ich freue mich. Es ging alles so schnell!“. Der Beiname „Amerikanisches Quartett“ bezieht sich nicht nur auf den Entstehungsort, sondern auch auf die vielen typischen Elemente der afroamerikanischen Musik, die aufgegriffen werden: Themen mit pentatonischem Charakter, ausgeprägten Synkopierungen und Ostinato-Rhythmen. Dabei verzichtet Dvořák bewusst auf eine ausgesprochene Themenverarbeitung, auf komplexe Strukturen und eine dramatische Entwicklung, denn "als [er] dieses Quartett schrieb, wollte [er] etwas, das sehr melodiös und geradlinig war, und deshalb stellte sich alles so einfach heraus. Und das ist gut so.“
Etwas Einfaches, doch keineswegs von mangelnder Raffinesse, bietet auch das Streichquartett Nr. 1 von Juan Crisóstomo de Arriaga. Arriaga – oft der spanische Mozart genannt – war ein in Bilbao geborener Komponist, auf den Tag genau 50 Jahre später als Mozart. Die Ähnlichkeit mit Mozart beruht aber vor allem auf seinem Status als Wunderkind: Bereits als 11-Jähriger komponierte er erstaunenswerte Divertimenti, mit 13 seine erste Oper und mit 15 studierte er bereits am Pariser Konservatorium. Stilistisch lassen sich seine Werke eher nicht der Wiener Klassik zuordnen, denn obwohl die Vorbilder von Mozart und Haydn durchklingen, schwingt bereits ein klarer romantischer Ton mit. So auch beim Streichquartett Nr. 1 in d-Moll, das 1824 entstand und trotz Arriagas jungen Alters eine bemerkenswerte Reife, eine originelle Erfindungsgabe und eine aussergewöhnliche Beherrschung der Kompositionstechnik aufzeigt. Die Leichtigkeit und Einfachheit in Kombination mit gezielt eingesetzten harmonischen Überraschungen und temperamentvollen Wechseln veranschaulichen quasi den Weg von der gemässigten Klassizität in die leidenschaftliche Romantik und machen das Quartett zu einem richtigen Meisterwerk; oder wie es ein Zeitgenosse Arriagas ausdrückte: „Es ist unmöglich, sich etwas Originelleres, etwas Eleganteres und von solch einer Reinheit vorzustellen als diese Quartette.“