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Sommerkonzert 2022

Sonntag, 21 August 2022, 17 Uhr, Kirche Blumenstein
Das Sommerkonzert widmet sich der Welt der Zigeuner und der Volksmusik: Rumänische Tänze, Ungarische Volkslieder und virtuose Zigeunermusik. Lassen Sie sich auf eine Reise entführen, begleitet von mitreissenden Rhythmen und Melodien.

Musiker

Programm

  • Joseph Haydn (1732 – 1809)
    Klaviertrio in G-Dur, Hob.XV.25 «Zigeunertrio»
    1. Andante
    2. Poco adagio cantabile
    3. Rondo all'Ongarese
  • Béla Bartók (1881 - 1945)
    Sechs Rumänische Volkstänze Sz.56
    1. Joc cu bǎtǎ
    2. Brǎul
    3. Pê-loc
    4. Buciumeana
    5. Puargǎ romǎneascǎ
    6. Mǎrunţel
  • Rebecca Clarke (1886 - 1979)
    Dumka für Klavier, Violine und Viola

  • Ernő Dohnányi (1877 - 1960)
    Ruralia hungarica Op.32d für Cello und Klavier

  • Maurice Ravel (1875 - 1937)
    Tzigane für Violine und Klavier, M.76

  • Johannes Brahms (1833 – 1897)
    Klavierquartett Nr.1 in g-Moll, Op.25
    1. Allegro
    2. Intermezzo - Allegro ma non troppo
    3. Andante con moto
    4. Rondo alla Zingarese - Presto

Den Erfolgen der diversen Zigeunerthemen in seinen Londoner Sinfonien folgend setzt Joseph Haydn in seinem Klaviertrio in G-Dur 1795 erneut osteuropäisches musikalisches Material ein und vereint dazu ungarische Tanzweisen mit klanglichen Einflüssen des volkstümlichen Balkans; vor allem im finalen dritten Satz, dem Rondo all’Ongarese, findet, wie der Name schon andeutet, der Einsatz von ungarischen Themen ihren Höhepunkt. Dabei führt genau die Mischung von authentischem melodischem Material und charakteristischer Klanglichkeit (mit Trommelbässen, Bordun, Streicherpizzicati, Unisoni, etc.) zu dieser „barbarischen Ursprünglichkeit und Rohheit“, die die Londoner so zu lieben schienen und die das Werk als „Zigeunertrio“ weltberühmt machte. Béla Bartók, der wohl berühmteste osteuropäische Komponist, der volkstümliche Klänge aus seiner Heimat in seine Kompositionen einbaute, stellte selbst später auch fest, dass erst die Verbindung von Melodien und charakteristischem Klang den pseudo-ungarischen Volkston überzeugend hervorruft.

Bartók machte es sich zum Lebenswerk Volkslieder aus Ungarn, Rumänien, der Slowakei und Siebenbürgen zu sammeln und somit die authentische Bauernmusik zu erforschen. Er war einer der ersten, der diese Musik phonografierte, niederschrieb und katalogisierte. Auch in seinen 1915 komponierten Sechs Rumänische Volkstänze bezaubert er mit volkstümlichen Klängen: Einige der über 1115 in Siebenbürgen gesammelten Volkstänze finden sich in dieser Klaviersuite wieder. Wie auch die Bauern in Ungarn und Rumänien reiht Bartok in diesem Stück die verschiedenen Dorftänze zu einer Siebenerfolge, wobei Einzeltänze, Paartänze und Gruppentänze sich abwechseln; dies ist auch im rein Instrumentalen noch erkennbar. Die Kombination von authentischen Melodien, volkstümlichem Klang, Aufbau und Gliederung fasziniert und ruft durch rustikalen Charme fast kitschige Bilder von bäuerlichen Dorfszenen hervor. Aufgrund seiner umfassenden Forschung verwundert es somit nicht, dass viele mitteleuropäische Komponisten die osteuropäischen Stilelemente und Volksmelodiensammlungen Bartóks in ihren Werken reflektierten.

Darunter finden sich auch Rebecca Clarke und Ernő Dohnányi. Letzterer baute 1923 seine Ruralia hungarica direkt auf den von Bartók gesammelten ungarischen Volksliedern auf. Es handelt sich um eine Gruppe von vier Kompositionen, Op32a bis –d, die aus Transkriptionen, Arrangements und zusätzlichen Werken bestehen: Die erste Komposition Op. 32a war eine siebenteilige Klaviersuite. Fünf Sätze daraus setzte Dohnányi zum 50. Geburtstag der Zusammenschliessung von Buda & Pest in Op. 32b für Orchester. Zwei weitere Sätze transkribierte er im Op32c für Violine und Klavier und ergänzte es mit einem komplett neuen Stück, dem Andante alla zingaresca. Eben dieses Andante wurde unabhängig von der Suite durch Fritz Kreisler oder Jascha Heifetz zu einem Konzertfavoriten. Dohnányi arrangierte das Andante auch für Cello und Klavier, welches in diesem Konzert zu hören ist. Die komplex verwobene Gruppe von vier Kompositionen gilt als Dohnányi bedeutendstes auf ungarischen Volksquellen basierendes Werk. 

Auch bei Rebecca Clarkes Dumka finden sich osteuropäische Einflüsse von Bartók sowie vom tschechischen Komponisten Bohuslav Martinů. 1920 fertiggestellt, markiert es den Anfang der späten Kompositionszeit Clarkes. Als konzertierendes Duo für Violine und Cello mit Klavierbegleitung konzipiert ist es gleichzeitig Aus- und Rückblick: Clarkes schlanke, geradlinige, klar moderne Klangvorstellung trifft auf eine Hommage an ältere Stile, Formen oder Komponisten. Der Rückblick ehrt vor allem Johannes Brahms und das Rondo alla Zingarese aus dessen Klavierquartett in g-Moll. Ein Thema aus eben diesem Rondo erklingt anfangs der Dumka und findet im wundervollen Finale erneut Gehör.

Brahms komponierte eben dieses Klavierquartett 1862. Sich der Popularität ungarisch inspirierter Zigeunermusik in Wien bewusst, setzte Brahms jenes Klavierquartett strategisch für sein dortiges Debüt als Komponist und Pianist ein. Er war mit der Musik der ungarischen Zigeuner aber bereits vorher bestens vertraut, was seiner Freundschaft mit den Geigern Eduard Reményi und Joseph Joachim zu verdanken war. Letzterer musste bei Sichtung der Partitur des g-moll-Klavierquartetts neidlos zugestehen, Brahms habe ihm auf seinem eigenen Territorium “eine ganz tüchtige Schlappe versetzt”. Der Zingarese-Charakter des Finales zeigt sich auch in den ersten drei Sätzen des Quartetts: In den wunderbaren Themen und Melodien finden sich zigeunertypische Klänge und Merkmale wieder, die Rhythmik zeigt sich charakteristisch und der Einsatz von Bordun und Chromatik stilisieren den melancholischen, typischen Volkston. Bei all dem osteuropäischen Einfluss verliert sich aber Brahms eigene musikalische Sprache keineswegs und blendet sich in symphonischen Klängen und seiner typischen Verarbeitungskunst ein. Im finalen Rondo alla Zingarese alterniert das Rondothema in g-Moll mit wechselnden Episoden in B, G und e, das mit Accelerrando-Kadenz und Stretta in einen Csárdás-ähnlichen Schluss gipfelt. Trotz seiner formal für Brahms recht untypischen Schlichtheit, verwandelt sich das gesamte zigeunerische Klangideal hier in lebendigste Kammermusik.

Ebenso hingebungsvoll wie Brahms widmete sich auch Maurice Ravel der Zigeunermusik. Während seiner intensiven Arbeit an der Oper L’enfant et les sortinèges zwischen 1920-25 entstanden dennoch weitere kleine Werke, wie die Violinsonate und die Tzigane. Zu letzterem wurde Ravel durch das Spiel der ungarischen Geigerin und Nichte Joachims Jelly d’Arányi inspiriert: Bei einer Soiree mit seiner Violinsonate im Programm spielte sie ihm bis in die frühen Morgenstunden Zigeunermusik vor, was ihn ungemein beeindruckte und zu einem der anspruchsvollsten Werke der virtuosen Violinliteratur schlechthin anregte. In seiner kammermusikalischen Fassung wurde vorerst ein Luthéal als Begleitinstrument vorgesehen. Dabei handelt es sich um eine vom Belgier George Cloetens entwickelte mechanische Ergänzung für Klavier, das den Klang eines ungarischen Cimbalom (Hackbrett) imitiert. Da ein Luthéal sehr selten war und bis heute auch kaum erhalten ist, wird das Stück vorwiegend mit Klavier aufgeführt. Trotz des im Namen und Musik ungemein erkennbaren Einfluss von ungarischen, zigeunerischen Klängen, versteht Ravel diesen in der Tzigane eher bildlich:  Die Verwendung von authentischen Melodien weicht einer romantisierten Klangvorstellung, die sich an den volkstümlichen musikalischen Ideen von Liszt und Brahms orientiert. Die Ablösung von Authentizität durch die in dieser Zeit üblichen exotistischen Romantisierung und leichte Klischeehaftigkeit tut dem wunderbar virtuosen Stück aber keinesfalls Abbruch.

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