Frühlingskonzert 2022
Sonntag, 24 April 2022, 17 Uhr, Kirche BlumensteinMusiker
Programm
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Rebecca Clarke (1886 - 1979)
Sonata für Viola und Klavier- Impetuoso - Poco agitato
- Vivace
- Adagio - Allegro
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Charles Martin Loeffler (1861-1935)
Quatre poèmes, Op. 5 für Stimme, Viola und Klavier- La cloche fêlée
- Dansons la gigue
- Le son du cor s'afflige vers les bois
- Sérénade
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Rebecca Clarke (1886 - 1979)
The Cherry-Blossom Wand
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Rebecca Clarke (1886 - 1979)
Tiger, Tiger
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Kaija Saariaho (*1952)
Mirage für Sopran, Cello und Klavier
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Johannes Brahms (1833 – 1897)
Trio für Viola, Cello und Klavier, Op. 114- Allegro
- Adagio
- Andantino grazioso
- Allegro
„In a spring day shall the tale be told, of the beautiful things that will never grow old“ (aus: The Cherry-blossom Wand)
Dieses Konzertprogramm legt den Fokus auf die zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratene britische Komponistin amerikanisch-deutscher Herkunft Rebecca Clarke. In einem Musikgeschichtslexikon der 80er Jahre auf ihre Rolle als Ehefrau von James Friskin reduziert, haben einige Interpret:innen und Wissenschafter:innen in den letzten Jahren die Innovation und Schönheit ihrer Werke erkannt und sie als eine der interessantesten britischen Komponistinnen ihrer Zeit beschrieben. Ihre kompositorische Karriere wurde von einer sehr erfolgreichen interpretatorischen begleitet: Ihre herausragenden Fähigkeiten als Bratschistin bescherten ihr internationale Anerkennung und führten sie auf Tourneen rund um die Welt. Dadurch kam sie auch mit der amerikanischen Mäzenin Elizabeth Sprague Coolidge in Kontakt, die sie überzeugte, 1919 ihre Sonate für Viola im Kompositionswettbewerb Coolidge international Prize einzureichen. Anonym eingereicht belegte sie den zweiten Platz, direkt hinter dem Werk des bekannten Komponisten Ernest Bloch. Spekulationen und Unglaube über die Komponistin hinter dem Werk taten seinem Erfolg keinen Abbruch. Im gleichen Jahr entstanden wie die Bratschensonate von Hindemith gehört jene von Clarke heute zu den Standardwerken für Viola.
Doch auch weitere Werke die sie kreiert und hinterlassen hat, erklingen an dem heutigen Frühlingstag. „In a spring day shall the tale be told“ – das von Clarke vertonte Gedicht The Cherry-blossom Wand, schrieb Anna Whickham, eine feministische Autorin die Clarke über ihre gemeinsame Bekannte, die Cellistin May Muckle kennenlernte. Tiger, Tiger ist das letzte Lied einer ganzen Reihe, entstanden aus der Liaison Clarkes mit dem verheirateten Bariton John Goss. Es ist womöglich ihr dunkelstes Lied, inhaltlich wie musikalisch: Voller Chromatik und sehr expressionistisch vertont Clarke das symbolistische Gedicht, das durch eine Serie von Fragen an einen Tiger Bilder von Feuer, Gefahr, Rachsucht und Bestrafung heraufbeschwört.
«Car nous voulons la nuance encore, pas la couleur, rien que la nuance!» schrieb der französische Dichter Paul Verlaine 1874 in Art Poétique – ein Gedicht, in dem er seine Lyrik definiert und das sich zu einer Art Manifest des Symbolismus entwickelte. Diese Anregung, dass nicht die Farbe zähle, sondern nur die Schattierung, nahmen sich auch viele Komponist:innen zu Herzen, die Verlaines Lyrik, dank seinem virtuosen und musikalischen Umgang mit der französischen Sprache, ausserordentlich häufig als Textvorlage anwendeten. Zur Zeit des Fin de Siècle zählte, wie seine Zeitgenossen Claude Debussy oder Gabriel Fauré, auch der deutsch-amerikanische Geiger und Komponist Charles Martin Loeffler dazu. Stark von der französischen Musik des Fin de Siècle geprägt, begegnen sich in Loefflers Kompositionen impressionistische Strukturen, osteuropäische Einflüsse und Anklänge an Folklore. Dieser Klangsprache bedienen sich auch die Quatre Poémes Op. 5, in dem drei der vier Gedichte von Verlaine stammen (das vierte wurde von seinem Kollegen Charles Baudelaire verfasst). Hier verbinden sich folkloristisch inspirierte Melodien und impressionistische Klangstrukturen zu einem wundervollen Ganzen. Die etwas ausgefallene für Loeffler jedoch nicht ungewöhnliche Besetzung aus warmem Bratschentimbre, Solostimme und Klavier, färbt einen faszinierenden Klang mit wunderbaren Schattierungen.
Ein weiteres sehr expressives und emotionsgeladenes Lied stellt die finnische Komponistin Kaija Saariaho vor. In Mirage (2007) vertont sie skandierte Fragmente einer Trance der mexikanischen Shamanin und Heilerin Maria Sabina. Mit Spiegelungen, Trillern und Glissandi folgen Sopran und Cello dem naturnahen Text, der Eindrücke vom Sein und der ekstatischen Suche nach Identität reflektiert. Parallellaufend, häufig ineinandergreifend, sich verflechtend und immer im kammermusikalischen Austausch mit dem Klavier treten Sopran und Cello in Dialog mit dem Zuhörenden. Es soll aber für Saariaho keine abstrakte Musik vermittelt werden, sondern eine Fülle an Bildern, Ideen und Emotionen.
Die aussergewöhnliche Wirkung der Bratsche auf die Klangfarbe zeigt sich auch in Brahms’ a-Moll Trio. Dem Solo-Klarinettisten der Meininger Hofkapelle Richard Mühlefeld, ein fülliger, bärtiger Mann, den Brahms scherzhaft „Fräulein Klarinette“ nannte, ist es zu verdanken, dass der eigentlich arbeitsmüde Brahms zu vier weiteren Kammermusikwerken inspiriert wurde. Das a-Moll Trio entstand dabei 1891 als Erstes. Trotz des anregenden «eigenartigen Zaubers [Mühlefelds] des Klarinettenklangs» (Hanslick), lieferte Brahms bei der Veröffentlichung des Werkes eine alternative Bratschenstimme. Obschon die Musik im Wesentlichen gleich ist, schafft das wärmere Timbre der Bratsche, das sich homogener mit dem Cello verbindet, einen intimeren Klang, der das Spiel von Licht und Schatten in diesem Werk noch subtiler gestaltet.